Samstag, 18. Mai 2013

Appeal for Afghanistan


Yesterday saw the publication of an appeal from a number of influential writers, authors, journalists, former diplomats, politicians and activists for a renewed dialogue on Afghanistan. The viewpoint takes on the German federal goverment to assume its responsabilities with regard to an open and critical debate on the lessons learned since the intervention into Afghanistan started in 2001 and with regard to the involvements and risks of the (partly) withdrawal of foreign troops in 2014. Afghan ownership in the different sectors still being more wishful thinking than a political reality, the appeal emphasizes the need for a culture of debate in dignity and mutual respect as well as for new diplomatic initiatives on bilaterial and multi-lateral levels. Attached is the German version, the English is to follow. _______________________________________________ Appell für Afghanistan - Für einen erneuerten Dialog mit der deutschen Politik // Zwölf Jahre nach der US/internationalen Intervention in Afghanistan hat sich ein gerüttelt Maß an Sprachlosigkeit breit gemacht zwischen den Intervenierenden und den Einheimischen, aber auch vielen Afghanen in der deutschen Gesellschaft. Eine kritische Debatte über die Deutung der Intervention, ihre Folgen, Perspektiven und die entwicklungspolitische Mitverantwortung für eine friedliche Zivilgesellschaft findet regelmäßig weder im deutschen Feuilleton statt noch scheint sie politisch wie medial erwünscht. Ausdruck davon sind u.a. Fernseh-Talkshows, die immer wieder über Afghanistan aber selten mit Afghanen reden und dabei das Thema der deutschen Mitverantwortung weitgehend ausblenden. Zugleich betonen Militärs wie Politiker selbstkritisch, dass es angesichts einer nach wie vor fehlenden greifbaren Strategie mehr denn je eines kulturell sensiblen Dialoges bedarf, um Verletzungen, Missverständnisse und diskursive Gräben der letzten Jahre zu überwinden. So erwarten viele Menschen in Kundus nach wie vor ein menschliches Zeichen der Entschuldigung Deutschlands an die Hinterbliebenen des Luftangriffs vom September 2009. Leider ist diese Chance bei jüngsten Besuch der Kanzlerin in Afghanistan ungenutzt geblieben. Wie verhält sich etwa, so könnte man fragen, angesichts der damaligen afghanischen Opfer, das selektive Mitgefühl, der Bundesregierung mit dem – alle Menschen umfassenden – Begriff der Würde, wie ihn das deutsche Grundgesetzes formuliert? Kundus verweist wie kaum ein Ort der deutschen Afghanistan-Politik darauf, dass auch und gerade der Westen und Deutschland eine Mitverantwortung tragen für die stetig wachsenden Sorgen, die große Teile der afghanischen Bevölkerung aktuell hegen. So besteht nicht nur Angst vor einer neuen Teilhabe der Taliban an der Macht, sondern auch gegenüber „warlords“ und mutmaßlichen Verantwortlichen früherer Kriege und Kämpfe, mit denen der Westen seit Jahren Zweck-Bündnisse eingeht. Konkret besteht die Befürchtung, dass diese Kräfte nach dem (Teil-)Abzug des ausländischen Militär weiter ungestraft agieren können. Die Folge könnte eine Welle der Abwanderung vieler Afghanen aus ihrer Heimat sein. Dieser Debatte, die auf Versäumnisse in puncto Wiederaufbau Sicherheit und Vertrauensbildung hinweist, müssen sich die Verantwortlichen endlich auch in Deutschland stellen. Die jetzt offiziell verkündete 'Übergabe in Verantwortung' bzw. 'Afghanisierung' oder 'Afghan ownership' kaschiert dabei nur die mangelnde Bereitschaft sich öffentlich mit den Defiziten der letzten Jahre kritisch zu befassen, sondern auch das Fehlen ziviler Entwicklungsperspektiven. So gibt es etwa, entgegen vielfacher Beteuerungen, reale Zweifel, über Schlagkraft und Überlebensfähigkeit der afghanischen Streitkräfte. Dass diese nur so gut und effektiv sein können, wie Ausbildung und Aufbau, auf die man sich eingelassen hat, darf nicht unerwähnt bleiben. Hier wie anderswo dienen geschönte Soll-Zahlen außerdem dazu, erhebliche Mängel in der Entwicklung zu kaschieren, und mit dem eigenen Truppenabzug das „Gesicht“ öffentlich zu wahren. Weitgehend widerspruchslos übernommen wird in den Medien immer wieder gerne das Bild des ausländischen Militärs, dass Entwicklungshilfe vor Ort erst möglich mache. Unerwähnt bleibt dagegen, dass in der Praxis die meisten deutschen Hilfsorganisationen den Kontakt mit dem Militär vor Ort meiden, um sich und ihre afghanischen Mitarbeiter nicht zu kompromittieren. Nur indem man sich der Debatte über solche Folgewirkungen wie auch über die unzähligen, namenlosen zivilen Opfer in dem Krieg stellt, zumal aus Sicht der Einheimischen, wird verständlich, wo Afghanistan aktuell steht. Last but not least gehört dazu ein öffentlicher Diskurs über die strategischen Interessen nach 2014. Dass der (Teil-)Abzug das Ende des neu-aufgelegten 'Great Game' der Super- wie Regionalmächte über Afghanistan einleiten wird, ist wünschbar aber realpolitisch nicht/kaum zu erwarten. Umso wichtiger erscheint es, dass alle Beteiligten Schritte zur multilateralen Vertrauensbildung einleiten statt auf eine Zukunft mit Drohnenkriegen zu setzen. ___________________ Unterzeichner/innen // Ulrich Tilgner, Korrespondent und Autor // Roger Willemsen, Publizist // Dr. Navid Kermani, Schriftsteller und Orientalist // Dr. Gunter Mulack, Botschafter a.D., Direktor des Deutschen Orient-Instituts // Winfried Nachtwei, MdB a.D., Beirat Zivile Krisenprävention beim AA, Vorstandsmitglied Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen // Marc Thörner, freier Journalist, Autor „Afghanistan Code“ // Nadia Nashir Karim, Journalistin und Afghanistan-Expertin // Belal El-Mogaddedi, Freier Autor und Initiator der Villigster Afghanistan-Tagung // Dr. Ernst-Albrecht von Renesse, Rechtsanwalt und Mitinitiator der Villigster Afghanistan-Tagung // Martin Gerner, Autor und freier Korrespondent

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