Freitag, 21. August 2009

Kunduz Portraits: Offensive als Show ?


Hier ist eine Reihe von Kurzportraits und Eindrücken der letzten Wochen aus Kunduz.
Die Beiträge sind auch im Tagesspiegel abrufbar.


"Die gemeinsame Militäroperation von Deutschen und Afghanen vor Wochenfrist hat zu keinem positiven Ergebnis geführt", erklärt Fefa-Leiter Sayed Rahim Mosavy. Eine große Show sei das gewesen.

Fefa, die einzige unabhängige Organisation afghanischer Wahlbeobachter, ist bekannt für eigenständiges Denken – und das ist keine Selbstverständlichkeit in der zunehmend hierarchisierten afghanischen Wirklichkeit. „Die gemeinsame Militäroperation von Deutschen und Afghanen vor Wochenfrist hat zu keinem positiven Ergebnis geführt“, erklärt Fefa-Leiter Sayed Rahim Mosavy. Eine große Show sei das gewesen, findet er. Es sei nur logisch, dass Polizei, Armee und Nato-Militär so kurz vor den Wahlen um eine gute Presse bemüht seien.

Im Fernsehen zeigte Kundus-TV vier festgenommene Taliban, die mit den Köpfen zur Wand stehen, die Arme mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Stalinistische Bilder. Einer der Männer ist durch einen Streifschuss am Fuß verletzt. Daneben zeigt die Kamera auf einem Tisch einen Zünder, Kabel und eine Tellermine. Eine Gruppe afghanischer Journalisten ist auch da und rätselt über die Identität der mutmaßlichen Täter. „Fragen stellen war nicht erlaubt“, sagt einer von ihnen später. Demonstrative Festnahmen dieser Art häuften sich, je näher der Wahltermin rücke.

General Abdul Resaq Yaqubi, der Polizeichef von Kundus, täuscht eine große Ruhe vor. Dabei geht sein Atem schwer. Die Verantwortung drückt sichtlich auf seine Schultern. Der General empfängt uns im hintersten Winkel seines Arbeitszimmers, wo ihn dicke Plüschsessel einrahmen.

„Von meinen eigenen Leuten suchen viele nur einen geldwerten Vorteil. Mit allerlei Mitteln“, sagt er leise und atmet tief aus. Sein Gesicht drückt Skepsis aus, aber wenn er spricht, hört man über die Deutschen und das US-Militär in Kundus nur Lob von ihm. Brücken, Straßen, Bildungseinrichtungen seien entstanden. Es klingt alles ein wenig aufgesagt. An der Wand hängt eine Karte der Provinz Kundus mit kleinen Pappfiguren und Schablonen. Wie in einem Strategiespiel. „Der Sicherheitsplan für die Endphase des Wahlkampfs“, erklärt er mit einem Zeigestab aus Metall. 400 Polizisten mehr erwarte er aus Kabul. Wie wahrscheinlich das sei? 90 Prozent, sagt er. Seine Mimik spricht eine andere Sprache.

Die Stadt sei ruhig, meint der Polizeichef, bevor unser Tee zur Neige geht. Zwei Stunden später wird ein französischer Journalist Zeuge einer wilden Schießerei, einen Steinwurf vom Polizeikommissariat entfernt. Mehrere Wagen mit aufgepflanztem Maschinengewehr auf dem Kühler verfolgen ein verdächtiges Auto. Mitten im Basar wird scharf geschossen, ein halbes Dutzend Mal. In Panik rennen Menschen in Geschäftseingänge. Nicht jeder findet Schutz. Weinende Stimmen von Frauen sind zu vernehmen. Andere straucheln in der Menge, gehen zu Boden.

Prognosen, selbst des amtlichen Polizeichefs, haben kurze Halbwertzeiten.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 09.08.2009)

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